Historie

Von der Gemeindeschule zur Volksschule

In diesem Beitrag soll vorrangig über die „Alte Schule” von Johannisthal, von ihrem Aufstieg und ihrem Untergang, berichtet werden. Als Schule wurde sie nur gute 95 Jahre alt (1886-1981).

Bei der Gründung Johannisthals im Jahre 1753 und dem Abschluss des Erbzins-Kontraktes am 16. November 1753 wurde trotz der vielen darin enthaltenen Paragraphen und Festlegungen über gegenseitige Rechte und Verbindlichkeiten eine Regelung der Kirchen- und Schulverhältnisse vernachlässigt. Dieser Mangel wurde später ein immer währender Streitpunkt zwischen den Gemeinden Rudow und Johannisthal.

Johannisthal besaß also keine Schule, und somit besuchten die Kinder die Schule in Rudow. Es war ein weiter Weg und die Straße war unbefestigt. Besonders bei schlechtem Wetter und im Winter war es schwer, wenn nicht sogar unmöglich, nach Rudow zu gelangen. Somit blieben die Kinder oft dem Unterricht fern, worüber stets Klage geführt wurde. Bereits 1771 wurde die Errichtung einer Schulhalterstelle in Johannisthal gefordert. Durch Kabinettsorder verfügte der König am 11. Juli 1801 sogar die Errichtung derselben. Aber durch die Napoleonischen Kriege ist diese Order nie verwirklicht worden. Die Johannisthaler Schulkinder gingen weiter nach Rudow.


Von 1872 bis 11. November 1885 besuchten die Johannisthaler Kinder die Schule in Niederschöneweide. Da aber die Zahl der schulpflichtigen Kinder bereits auf 72 gestiegen war, sah sich die Gemeinde 1884 zur Errichtung einer eigenen Schule genötigt. Mittel zum Schulbau waren nicht vorhanden. Die Regierung wollte sich zu einer Unterstützung nicht bereit erklären, und so musste die Gemeinde ihre erste Anleihe aufnehmen. Am 1. Januar 1886 wurde die Schule in der Friedrichstraße 16, heute Winckelmannstraße 62-64, eröffnet, der Lehrer Schulze in sein Amt eingeführt.
Nach vielen Mühen gelang es der Gemeinde mit tatkräftiger Unterstützung des Landrates endlich, eine Staatsbeihilfe zu erlangen. Zum Lehrergehalt, das 1200 Mark jährlich betrug, zahlte der Staat 900 Mark zu, die aber nur widerruflich gewährt wurden. 1887 wurde eine zweite Lehrerstelle eingerichtet bei einem Gehalt von 750 Mark jährlich. Wiederum gewährte der Staat eine widerrufliche Beihilfe in Höhe von 750 Mark (aus: „Chronik v. Johannisthal” von Dr. Carl Sanft).
Die am 7. Dezember 1885 feierlich eingeweihte und am 1. Januar 1886 eröffnete l. Gemeindeschule Johannisthals in der Friedrichstraße war ein zweigeschossiger roter Ziegelbau. In den folgenden Jahren stiegen die Zahlen der schulpflichtigen Kinder schnell an. Am 25. Mai 1891 waren es bereits 152 Schüler, davon 72 Knaben und 80 Mädchen, 142 evangelischen und 10 katholischen Glaubens, 148 sprachen deutsch und 4 polnisch und deutsch. Drei Jahre später wurden bereits

256 Schüler von 4 Lehrern unterrichtet. Ein Erweiterungsbau der Schule war notwendig. Da die Gemeinde die Kosten dafür nicht aufbringen konnte, gewährte der Staat am 20. April 1895 wiederum eine finanzielle Hilfe. Die Schülerzahl war inzwischen im Jahre 1896 bereits auf 320 angestiegen, und es musste die 5. und 6. Lehrerstelle eingerichtet werden.

1896 wurde mit dem ersten Erweiterungsbau begonnen, der sich bis in das Jahr 1897 hineinzog. Er umfasste 4 Klassenräume und eine Aula. Diese konnte gleichzeitig für Gottesdienste der evangelischen Kirche genutzt werden. Der erste Erweiterungsbau wurde als zweiflügliges Gebäude im stumpfen Winkel zwischen Friedrichstraße und Roonstraße (heute Haeckelstraße) errichtet. Obwohl die endgültige Bauabnahme erst mit Schreiben vom 20. Oktober 1897 erfolgte, konnte die Aula bereits am 14. März 1897 für kirchliche Zwecke eingeweiht werden. An diesem Schulanbau wurde das Spritzenhaus für die Freiwillige Feuerwehr von Johannisthal angefügt. Die Toiletten für Mädchen und Knaben befanden sich in einem hofseitigen Gebäude gegenüber dem Schulhaus.

Die wachsende Schülerzahl machte bald einen zweiten Erweiterungsbau der Schule notwendig, der in den Jahren 1901/02 erfolgte und sich in der Roonstraße anschloss. Deswegen musste das Spritzenhaus abgerissen werden. Ein Neubau mit Steigerturm an dem zweiten Erweiterungsbau wurde im Mai 1901 genehmigt. Der neue Schulanbau hatte 8 Räume, davon 3 Klassenräume, l Physikzimmer, l Vorbereitungszimmer und l Rektorenzimmer. Die restlichen 2 Räume konnten nicht definiert werden. Nach Realisierung mehrerer baulicher Beanstandungen erfolgte schließlich die Gebrauchsabnahme für den zweiten Schulerweiterungsbau am 17. Dezember 1902. Auch der Bau einer neuen Abortanlage für Mädchen und Knaben und eines kleinen anschließenden Wirtschaftsgebäudes, das noch heute existiert, wurde im September 1902 genehmigt und zum Dezember 1902 fertiggestellt. Der ursprünglich vorgesehene Bau einer Turnhalle wurde aus Gründen fehlender Mittel und der Überbauung der Schulgrundstücksfläche zurückgestellt. Erst im April 1914 war es dann so weit, dass mit dem Bau einer Turnhalle, diesmal an der Friedrichstraße, begonnen werden konnte, der aber während des Ersten Weltkrieges aus Sparsamkeitsgründen wieder eingestellt werden musste. Erst im September 1920 wurde die begonnene Turnhalle fertiggestellt. Die durch den zweiten Erweiterungsbau geschaffenen Schulräume reichten bereits 1919 nicht mehr für alle Schulkinder aus. Die Villa des Freiherrn Carl Trützschler von Falkenstein in der Kaiser-Wilhelm-Straße 4/5 (heute Sterndamm 82) wurde aus diesem Grunde für Schulzwecke angemietet und entsprechend umgebaut. Die Trützschler-Villa diente bis 1973 als Gemeinde-/Volksschule bzw. nach 1945 auch als Hilfs- und Sonderschule. Letztere zog zu diesem Zeitpunkt als Hilfsschule „Otto Dunkel” in den dafür erbauten Bungalow-Komplex „Am Haselbusch 12″. Die Gesellschaft für Sport und Technik der DDR (GST) übernahm danach bis Mitte 1990 die Trützschler-Villa. Nach mehrjährigem Leerstand wurde das Gebäude von der Universalstiftung Helmut Ziegner saniert und im Jahre 2001

als Wohnheim, mit sechs Appartementplätzen, für betreuungsbedürftige Jugendliche eröffnet (neuerdings unter Sterndamm 84).
In den Jahren 1935 bis 1945 waren in der Trützschler-Villa vorwiegend die Mädchenklassen der Johannisthaler Schule untergebracht. Die Jungenklassen und die gemischten Klassen wurden in dem Schulgebäude in der Friedrichstraße Roonstraße unterrichtet. Zwischen 1938 und 1945 gab es auch durch den wegen des Zweiten Weltkrieges bedingten Lehrermangel in einigen Schulfächern den so genannten Wechselunterricht, d.h. die Schülerinnen hatten bestimmte Unterrichtsstunden in anderen Gebäudebereichen der Schule zu absolvieren. Das war dann immer ein Hin- und Herpendeln zwischen den Schulgebäuden in der Friedrichstraße und der Trützschler-Villa. Dieses wurde nach 1945 beibehalten, speziell für den Sportunterricht, da sich die Turnhalle in der Winckelmannstraße befand. Nun aber wieder zurück zur Zeitachse. Bereits 1919 machte die gewachsene Schülerzahl es notwendig, dass ein Teil der Johannisthaler Kinder sowohl in Niederschöneweide als auch in Britz eingeschult werden mussten. Verbunden mit der weiter steigenden Einwohnerzahl in Johannisthal und somit auch der Kinderzahl, veranlasste die Gemeinde im Oktober 1925 beim Magistrat von Berlin entsprechende Mittel für einen Neubau zu erhalten. Die beiden Schulgebäude in der Friedrichstraße und die Trützschler-Villa reichten nicht mehr aus, und ein Erweiterungsbau war auf beiden Geländen nicht möglich. Als Standorte für einen Neubau wurden zwei Grundstücke westlich der Oststraße und an der Engelhardstraße vorgeschlagen. In dieser Zeit, am 1. Juli 1927, erfolgte auch die Umbenennung der Gemeinde schulen in Volksschulen, der 8-Klassenschule. Die Johannisthaler Gemeinde schule wurde die 15. Volksschule.
Im Jahre 1928 konnte die Gemeinde endlich das Grundstück am Ellernweg für einen Schulneubau erwerben. Um eine möglichst große Schulhoffläche zu erhalten, sollten ihn die Weststraße, die Straße Am Alten Fenn und die Oststraße umschließen. So lautete die Baubeschreibung vom Juli 1928. Am 16. Februar 1929 besuchten bereits 633 Schülerinnen die Volksschule in Johannisthal. 182 weitere Schulkinder aus Johannisthal mussten jedoch in Niederschöneweide und 16 Kinder in Baumschulenweg zur Schule gehen. Dieser Umstand änderte sich auch bis in das Jahr 1945/46 nicht. Dabei handelte es sich zum Teil um die Kinder des Wohnbereiches zwischen Hagedornstraße und Groß-Berliner Damm sowie der Späthsfelder-Siedlung.
Am 24. Juli 1929 stimmte der Magistrat in seiner Sitzung dem Neubau einer Doppel-Volksschule für 600 Schülerinnen am Ellernweg zu. 1930 waren aber im Haushaltsplan des Magistrats keine Mittel für Johannisthal vorgesehen. Die bereits bewilligten 500.000 RM seitens des Magistrats sollen für die Fertigstellung der Köpenicker Eichendorfschule verwandt worden sein, so behaupten es altein-gessene Johannisthaler.
1935 konnte die 15. Volksschule in Johannisthal ihr 50-jähriges Bestehen feiern. Zu dieser Zeit wurden 759 Schülerinnen in 18 Klassen an der Schule unterrichtet.

Im Jahre 1937 war es endlich so weit. Das Schulbauprogramm sah für den Schulneubau am Ellernweg den ersten Bauabschnitt vor. Durch Mängel im Bauprojekt kam es jedoch wieder nicht zur Bauausführung.
Im Jahre 1938 erfolgte eine erneute Nummerierung aller Volksschulen im Bezirk, aus der 15. wurde die 8. Volksschule. Zur gleichen Zeit wurden auch die Hausnummern in der Friedrichstraße korrigiert, aus der Nr. 16 wurde die Friedrichstraße 64. Die Schülerinnenzahl betrug 1939 bereits 763 Schulkinder, die in 13 Klassenräumen im Schulgebäude Friedrichstraße bzw. in 6 Klassenräumen und 2 sonstigen Räumen im Schulgebäude der Trützschler-Villa unterrichtet wurden. Der bereits erwähnte Wechselunterricht war in dieser Zeit üblich. Jeweils nach der 4. Klasse eines Schuljahrganges reduzierte sich die Zahl der Schüler und Schülerinnen durch Wechsel auf höhere Lehranstalten wie Mittel- und Oberschule bzw. Lyzeum. Eine Umgruppierung der verbleibenden Klassen war dann die Folge. Um einmal an einige der bekanntesten, beliebtesten und auch unbeliebtesten Lehrer und Lehrerinnen der Schule in den Jahren 1935 bis 1945 zu erinnern, möchte ich u.a. auffuhren: Rektor war Herr Schutkowski, dann die Lehrer Herr Dreibrodt, Ernst, Milling, Müller, Knetsch und Schmidt, sowie die Lehrerinnen Fräulein Lenz, Kienert und Stürmer.
Inzwischen war der Zweite Weltkrieg ausgebrochen. Die Turnhalle konnte ab 1941 für schulische Zwecke nicht mehr genutzt werden, dort waren die Soldaten einer kleinen Flak-Einheit einquartiert. Ihre drei oder vier Fliegerabwehr-Kanonen standen am Ende des Schulhofes, ungefähr dort, wo sich heute der 1961 entstandene Lückenbau der Schule zwischen Turnhalle und angrenzendem Wohnhaus befindet. Oftmals konnten die Schulkinder bei der Ausbildung und den Übungen zusehen.
Auf Grund der täglichen Bombenangriffe auf Berlin wurden 1943 an vielen Schulen, so auch in Johannisthal, Schülerinnen zum Teil mit den Eltern, vorwiegend Müttern, zuerst nach Ostpreußen und später nach Thüringen, z.B. nach Bad Köstritz, evakuiert. Im Frühjahr 1944 wurde auch der alte Schulgebäudeteil in der Friedrichstraße bei einem Bombenangriff getroffen. Die obere Etage brannte aus, dabei war der Funkenflug so stark, dass die Bewohner des gegenüberliegenden Wohnhauses mit Feuerklatschen ihr Dach vor dem übergreifenden Brand schützten. Das ausgebrannte Obergeschoss wurde nach dem Krieg abgetragen, was noch an der Giebelwand des Eckgebäudes zu erkennen ist, und nach Aufsetzen eines neuen Daches entstand das heutige Erdgeschossgebäude mit 4 Klassenräumen. Zwischen 1939 und 1941 war der 1929/30 genehmigte und nicht mehr ausgeführte Schulneubau am Ellernweg auf die Liste der wichtigsten Schulbauten gesetzt worden, die nach dem Krieg begonnen werden sollten. Danach war nun eine 20-klassige Mittelschule mit Turnhalle und Aula vorgesehen. Ferner wurden 1941 zwei selbstständige Mittelschulen, eine für Jungen und eine für Mädchen, sowie eine Turnhalle in der Engelhardstraße geplant und vom Hauptschulamt genehmigt. Der Krieg verhinderte aber die Ausführung dieser Pläne.

Nach dem Ende des Krieges wurde am 6. Juni 1945 in Johannisthal mit dem Schulunterricht in der Friedrichstraße und in der Trützschler-Villa wieder begonnen. Es wurden 396 Schüler, 386 Schülerinnen und 212 Schulanfangerinnen in 13 Schulräumen unterrichtet. Eine Klassenstärke betrug ca. 40 Schülerinnen. Die mit einer Zentralheizung ausgestattete Turnhalle konnte, als einzige funktionierende in Johannisthal, wieder genutzt werden. Dagegen hatten die Klassenräume weiterhin Ofenheizung, die von den Lehrerinnen und Schülerinnen selbst beheizt wurden. Ab September 1946 wurde an den Berliner Schulen mit Hilfe der Alliierten die Schulspeisung eingeführt, so auch ab l. September in der Johannisthaler Schule. Zwischenzeitlich erfolgte die Ausgabe der Schulspeisung im gegenüberliegenden ehemaligen Restaurant „Flieger-Heim” von Franz Tolinski. Im Jahre 1961 erfolgte ein Erweiterungsbau der Schule in der Winckelmannstraße. Er lag zwischen Turnhalle und dem angrenzenden Wohnhaus. Dieser Lückenbau war speziell für die naturwissenschaftlichen Fächer Mathematik, Physik, Chemie und Biologie vorgesehen. Das Gebäude hatte 8 Räume, jeweils 2 Klassen und 2 Vorbereitungsräume im Erd- und im Obergeschoss.
Nach der demokratischen Schulreform folgte mit dem Inkrafttreten des Bildungsgesetzes der DDR 1965 das einheitliche sozialistische Bildungssystem, zu dessen Bestandteilen die Vorschulerziehung, die zehnklassige allgemeinbildende Polytechnische Oberschule (POS), die erweiterte Oberschule (EOS) und Schulformen für die Berufs- und Hochschulausbildung gehörten. Es bestand Schulpflicht für alle Kinder bis zur 10. Klasse.
Aus der 8. Volksschule in der Winckelmannstraße wurde nun die 8. POS. Am 12. Juni 1968 wurde ihr der Name „Maxim Gorki” verliehen. Zu dieser Zeit wurden 600 Schülerinnen von 40 Lehrkräften unterrichtet, wobei die Klassenstärke bei 30 Schülerinnen lag.
In den Jahren 1973/74 wurde eine Renovierung der Turnhalle notwendig. Der alte defekte Fußboden wurde entfernt und durch einen neuartigen Fußbodenbelag (Kunststoff-Sprintan-Belag) ersetzt. Die Johannisthaler 8. Oberschule soll nach Aussagen eines Zeitzeugen die erste Schule in Berlin gewesen sein, die einen derartigen Belag erhielt.
Zum 1. September 1981 wurde die alte Johannisthaler Schule, nunmehr 8. POS „Maxim Gorki”, in der Winckelmannstraße/Haeckelstraße auf Grund des baulichen Zustandes für den Schulunterricht geschlossen. Sie wurde in ein Jugendzentrum der Organisation „Junge Pioniere” umgewandelt. Es entstanden mehrere Arbeitsgemeinschaften, so für bildende und darstellende Kunst sowie für naturwissenschaftliche und technische Richtungen. Im Jahre 1988 erfolgte dann eine Sanierung des Gebäudes. Es bekam eine Zentralheizung, neue Sanitäranlagen und eine neue Dachdeckung.
Nach 1990 entstand aus dem Jugendzentrum in der Winckelmannstraße das Schülerfreizeitzentrum „Spielwinkel” und danach das Jugendzentrum Johannisthal „JuJo”. In offener Gruppenarbeit konnten die Jugendlichen sich an Mädchen-
und Computerkursen, an der Kinder- und Jugendwerkstatt für Flug- und Schiffsmodellbau, an Zirkeln für bildende und darstellende Kunst sowie am Fotozirkel beteiligen, (siehe Kapitel „Historische Entwicklung”, „Ein umfangreiches Straßennetz - Winckelmannstraße”, „Ausflugsgaststätten in Alt-Johannisthal”, „Entwicklung der Kirchengemeinden - Evangelische Kirchengemeinde”)

Bernd Rompf